Warum der Teichtorplatz umbenannt werden sollte...

 

Nach dem Brand des Familiensitzes und des Geschäftshauses zieht im Jahre 1815 der Kaufmann Abraham Joseph Rothschild (1772 - 1843) von Merxhausen nach Stadtoldendorf. Hier eröffnet er sein Manufakturgeschäft neu und die Geschäfte florieren sogleich.

 

1859 ersteigert Abrahams Sohn Ephraim Rothschild (1808 - 1901) das Rittergut von Hake. Der Magistrat hatte ihn darum gebeten, da nur so die Interessen der hiesigen Klein-Pächter gewahrt werden können. Der auf brachliegenden Fluren gefundene Sandstein und Gips ist abbaubar und führt zur Gründung der Firma "E. Rothschild, Sollinger Sandstein- und Gipsbruch". Da kinderlos, ernennt Ephraim Rothschild die Ehemänner seiner Nichten (u.a. Carl Ullmann) zu Gesellschaftern.  

 

Aus der im Jahre 1869 erworbenen Wassermühle entwickelt Ephraims Schwager Adolf Wolff (1822 - 1900) die mechanische Weberei "A.J. Rothschild Söhne".

 

1914 steigt die Zahl der Beschäftigten in den Steinbrüchen und in der Weberei insgesamt auf 1.350 (zum Vergleich: Einwohnerzahl von Stadtoldendorf 1914: 3.728).

 

Die Anteile der Weberei vererbt Ephraim an seine Schwester Marianne Wolff (1817 - 1883), seinen Schwager Adolf Wolff und deren Kinder.

 

Der Aufstieg der Weberei A.J. Rothschild Söhne zum industriellen Großbetrieb ist vor allem dem Ideenreichtum Max Levys (1850 - 1927), Ehemann von Adolf Wolffs Tochter Emma (1854 - 1887), geschuldet.

 

So erfolgt 1904 die Herstellung von baumwollenen Futterstoffen und Satin. Die Weberei erhält eine mustergültige Färberei und Stadtoldendorf in diesem Kontext eine neue Wasserleitung (reines, weiches Wasser), eine neue Kanalisation und ein Gaswerk. Die Vollendung der Echtfärbung von Baumwollgewebe ("Airosin-Färbung") ist eine Sensation und führt zur weltweiten Anerkennung.

 

Dank der Firmenentwicklung und der damit einhergehenden Verbesserung der Infrastruktur erlebt Stadtoldendorf einen erstaunlichen Boom.

 

1900 schenkt Max Levy der Stadt ein Krankenhaus ("Charlottenstift" - benannt nach der zweiten Ehefrau), 1910 folgt ein Kindergarten und 1912 der Sitzungssaal im neuen Rathaus.

 

Die "Adolf-Wolff-Stiftung" ermöglicht finanzielle Hilfen; die "Gertrud-Wolff-Stiftung" kostenlose Behandlung für Bedürftige im Charlottenstift. Ihr Ehemann Oscar Wolff (1855 - 1923) hat 1906 den Kellbergturm gestiftet.

 

Abraham Joseph Rothschild ist der Stammvater der Gesellschafterfamilien der Weberei, die seinen Namen trägt: "A.J. Rothschild Söhne". 

Abraham Joseph Rothschilds Name bzw. die Namen seiner weitverzweigten Familie gelten als Synonym für den Fortschritt der Stadt Stadtoldendorf. Sie sind engverbunden mit bzw. maßgeblich verantwortlich für ein außerordentliches Engagement bezüglich der technischen und sozialen Infrastruktur der Stadt.

 

Es ist an der Zeit, an zentraler Stelle, auch anhand eines Platzschildes an die jüdischen Wurzeln, an die jüdische Vergangenheit aber auch an eben jene Weberei vor Ort zu erinnern.

 

Unmittelbar am Teichtorplatz befindet sich die ehemalige Wolffsche Villa, die ehemalige Geschäftsvilla der Weberei Rothschild mit dem ehemaligen Zugang zum Werk I.

 

Die Umbenennung des Teichtorplatzes in "A.J.-Rothschild-Platz" benötigt keinerlei Adressänderung, sondern lediglich den Austausch von drei Platzschildern.

 

Der Name "Teichtor" geht keinesfalls verloren: die Teichtorstraße erinnert weiterhin an das ehemalige (am Teich gelegene) Eingangstor zur Stadt.

 

Die Umbenennung wäre ein wichtiges, eindeutiges Zeichen - gegen den "vergesslichen Zeitgeist" - sowie eine Würdigung der einmaligen Verdienste der hiesigen Familie Rothschild bzw. der Gesellschafterfamilien der Weberei "A.J. Rothschild Söhne".

 

 

 

Der im März 2013 gestellte Antrag wird zwar in den Ausschüssen bzw. im Stadtrat beraten, letztlich aber abgelehnt - stattdessen soll der Synagogenplatz neu benannt werden.

Eine wirkliche Diskussion mit den Antragstellern findet leider nicht statt.

Die Antragsteller (Hans-Joachim Heptner, Birgit und Jens Meier - eine Idee Ute Siegelers aufgreifend) bedauern dies - aber selbstverständlich begrüßen sie die Benennung des Synagogenplatzes nach Ephraim Rothschild (Nov. 2015).

 

 

 

 

Visitenkarte - undatiert
Visitenkarte - undatiert